Theater: Mobbing

Schauspiel mit Gilla Cremer und Patrick Reerink/Cello

In der Verbindung von Anteilnahme und Distanz gelingt Annette Pehnt ein glänzender Roman, der von Macht und Ausgrenzung in der Arbeitswelt handelt und behutsam seine großen Themen Vertrauen, Achtung und Würde ins Alltägliche einzubetten versteht.

Hautnah erlebt der Zuschauer an diesem dichten Theaterabend, wie sich Mobbing am Arbeitsplatz auf das private Leben auswirkt, wie der Mann Jo mit seiner Arbeit zugleich zu Hause den Boden unter den Füßen verliert. Sein „Fall“ wird aus der Sicht seiner Frau erzählt, einnehmend gespielt von Gilla Cremer. Für den Ehemann Jo hat Regisseur Heicks ein so einfaches wie geniales Bild gefunden: Sprachlos und abgeschirmt sitzt er in einem Glaskasten. Seine Verzweiflung, seine Einwände und sein Zorn finden ihren Ausdruck allein in der Musik, im meisterlichen Spiel des Cellisten Patrick Reerink.

Ein großer, vielschichtiger Abend, in dem Gilla Cremer monologisierend und im Zwiegespräch mit dem durch Mobbing verstummten, gesellschaftlich isolierten und seiner Frau zunehmend entfremdeten Partner den Auflösungsprozess einer einst glücklichen Familie vor Augen führt.

Nach dem Roman von Annette Pehnt

Regie: Michael Heicks
Koproduktion Theater Unikate – Gilla Cremer mit dem Theater Bielefeld und den Hamburger Kammerspielen, unterstützt von der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg.

Kritiken

Borkener Zeitung vom 06.12.2023

Theater der Kulturgemeinde
Eindringliches Stück über Mobbing

Von Dorothea Nattefort

Borken. Ein anderthalbstündiger Monolog zum Thema Mobbing am Arbeitsplatz? Begleitet von einem einzelnen Cellospieler, der im Glaskasten sitzt? Hört sich das so attraktiv an, dass man sich an einem nasskalten Montagabend ins Theater begibt? Lohnt sich das? Die Frage ist durchaus überraschend unbedingt mit Ja zu beantworten.

Dass der Theaterabend der Kulturgemeinde so überaus gelungen ausfiel, lag ohne Zweifel besonders an der schauspielerischenLeistung der Hauptdarstellerin. Das differenzierte Spiel von Gilla Cremer als Frau des Gemobbten erlaubt dem Zuschauer eine Sichtweise, die nicht gleich polarisiert, nicht gleich weinerlich Partei ergreift. Die Zuschauer erleben die zunächst zweifelnden Reaktionen, die nachvollziehbar und lebensnah sind: Ist das alles wirklich so schlimm? Erlebt Jo nicht einfach alles ein wenig überzogen? Werden Situationen überbewertet? Kann es nicht einfach sein, dass sich die Arbeitskollegen zufällig nicht neben ihn setzen? Nach und nach entsteht das Bild, das man zunächst einfach nicht wahrhaben will. Jo wird in seinem Büro zum Außenseiter gemacht. Die Ablehnung zieht immer weitere Kreise, bis er an seinem Arbeitsplatz völlig isoliert ist. Parallel dazu entfernen sich Freunde, die vormals glückliche Familie erlebt den sozialen Abstieg - und zerbricht.

Die Zuschauer erlebten in der schauspielerischen Gestaltung eine vielschichtige emotionale Färbung, die von Zweifel und Ablehnung zu Wut und Verzweiflung bis hin zu Sarkasmus und Selbstironie reichte. Der Glaskasten, in dem Jo als der Gemobbte sitzte, erweist sich über das gesamt Stück hinweg als starkes Symbol der sozialen Isolation, aber auch des eigenen Rückzugs. Seine Frau dringt nicht mehr zu ihm durch. Nur vermittelt durch das Spiel des Cellos drückt sich Jos Gefühzustand aus, auf das die Hauptdarstellerin mitunter reagierenkann: "Was war das denn nun wieder für ein Ton?"

Die großartige Leistung der beiden Protagonisten fand großen Ankang beim Publikum. Lang anhaltender Applaus würdigte das eindringliche Spiel. Ganz warmherzig und charmant bedankte sich Gilla Cremer in ihren Schlussworten beim einfühlsamen Publikum.