Jeder stirbt für sich allein

Nach dem Roman von Hans Fallada

Mit Peter Bause (Preisträger des INTHEGA-Vorstandes 2010), Hellena Büttner (Schauspielerin des Jahres 2015 am Alten Schauspielhaus Stuttgart)
In weiteren Rollen: Elisabeth Halikiopoulos, Jonas Broxtermann, Aki Tougiannidis, Ralf Grobel, André Vetters, Volker Jeck, Markus Angenvorth, Nils Daub. Zehn Schauspieler spielen die 16 Rollen.

Regie: Volkmar Kamm

Der Führer hat mir meinen Sohn ermordet!“ – Mit diesem Text auf einer von über 200 Postkarten, die sie in Treppenhäusern, Briefkästen und in Hinterhöfen heimlich deponieren, rufen die Berliner Eheleute Quangel zum Widerstand auf. Durch den Tod ihres einzigen Sohnes haben sie ihren Lebenssinn verloren und ihn durch die heimlich ausgelegten Botschaften, die dem Regime den Krieg erklären, neu gefunden. So ist Falladas Hinterhofpanorama, das auf dem realen Fall und den Ermittlungsakten der Gestapo des 1942 durch Denunziation verhafteten und zum Tode verurteilten Ehepaares basiert, auch ein großer Liebesroman.

Dem erfahrenen Theatermann Volkmar Kamm gelingt es in seiner Dramatisierung in beklemmender Eindringlichkeit, die emotional sehr anrührende Atmosphäre einzufangen und in Momentaufnahmen die verschiedenen Schicksale der Denunzianten, Opfer, Mitläufer, Spitzel und überzeugten Nazis zu bündeln.

Das Buch hat die Spannung eines Le-Carré-Romans, ein tiefgehendes, erschütterndes Porträt“, schrieb The New Yorker online, und auch von der New York Times wurde das literarische Großereignis gefeiert. Der Überraschungs-Weltbestseller, der 2011 in den USA auf dieses sensationelle Echo stieß, wurde von dem gesundheitlich total zerrütteten Autor Hans Fallada verfasst. In der Nervenklinik der Berliner Charité schrieb er die rund 850 Manuskriptseiten von „Jeder stirbt für sich allein“ in nur dreieinhalb Wochen. Drei Monate vor der Veröffentlichung starb er.

Altes Schauspielhaus Stuttgart / EURO-STUDIO Landgraf

Kritiken

Kritik aus der Borkener Zeitung vom 13.03.2019

"Jeder stirbt für sich allein" in der Stadthalle
Krachend bricht das Hakenkreuz zusammen

Von Claudia Peppenhorst

Borken. Für einen unterhaltsamen Theaterabend war das Stück der Kulturgemeinde der Stadt Borken "Jeder stirbt für sich allein" am Montagabend in der Stadthalle im Vennehof zu ernst. Die Aufführung, die die Schauspielbühnen in Stuttgart auf die Borkener Bühne brachten, sucht ihresgleichen: hervorragende Schauspieler in einem ausgefeilten Bühnenbild und mit einer mitreißenden Dramaturgie.
Der deutsche Schriftsteller Hans Fallada schrieb 1946 in knapp vier Wochen auf dem Sterbebett seinen letzten Roman "Jeder stirbt für sich allein", der von dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten handelt. Seit 2011 tauchte das Buch unerwartet in den Bestsellerlisten verschiedener Länder auf. Rund 400 Romanseiten fasste Regisseur Volkmar Kamm zu einem schlüssigen zweistündigen Theaterstück zusammen, erklärte Produktionsleiter Hermann Höcker den Gästen vor der Vorstellung.
Über Falladas Leben und Werk informierte er das Publikum sowie über die Hintergründe zu dem letzten Roman. "Dieser geht auf ein Dossier aus den Akten der Gestapo zurück. Ein sachlicher Bericht, der Fallada nicht zu einem Roman reichte", so der Produktionsleiter. Der Autor machte die realen Personen Elise und Otto Hampel zu seinen Protagonisten Anna und Otto Quangel. Um sie herum erschuf er eine Nachbarschaft aus Schwiegertochter, HJ-Jugendführer, Spitzel, Kleinkriminellen, jüdischer Nachbarin und weiteren Personen sowie den NS-Schergen in Form der Gestapo, SS-Führer und dem Volksgerichtshof.
Unbescholten und politisch desinteressiert leben und arrangieren sich die Quangels im Berlin der 40er-Jahre mit dem NS-Regime, bis sie die Nachricht von ihrem gefallenen Sohn bekommen. Jetzt beginnt Otto Quangel Widerstand zu leisten, indem er anonyme Postkarten schreibt, die Hitler als Mörder anprangern und die er wahllos und heimlich in Berlin verteilt.
Erst nach Jahren wird das Ehepaar denunziert und vom Volksgerichtshof zum Tde verurteilt, vor dem Otto äußerte: "Ich glaube nicht an ein Tausendjähriges Reich." Und kurz darauf brach das riesige Hakenkreuz zusammen und krachte mit einem lauten Knall auf den Bühnenboden.
Ausnahmslos alle Schauspieler verdienten für diese Aufführung größtes Lob und bekamen stürmischen, langen Beifall - wobei die Quangels (Hellena Büttner und Peter Bause) im Vordergrund standen.
Für manchen Zuschauer ist der Theaterabend sicher ein Anlass dafür, künftig zu einem der zahlreichen Romane von Hans Fallada zu greifen.

Hellena Büttner spielt die Anna Quangel – eine Frau ihrer Zeit, die sich erst gegen den Führungsanspruch ihres Manns und dann gegen den eines ganzen Regimes auflehnt. Und dabei zu einer anrührenden Würde findet, der auch die perfidesten Beleidigungen nichts anhaben können. Peter Bause wiederum gibt seinem Otto eine Größe, die sich aus der tiefen Überzeugung nährt, das Richtige getan zu haben. Volker Jeck zeichnet als SS-Scherge und als Präsident des Volksgerichtshofs ein beklemmend authentisches Bild von der ausgefeilten Rhetorik und Dramaturgie, mit der die Nazibonzen vor allem auf eines aus sind: Demütigung.
Mathias Wiedemann, Mainpost, 13.02.2015